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von Nelson Brissac

 

Der Faden wurde wieder aufgenommen und zehn Jahre später schließt sich der Kreis. Die Ausstellung von Arnaldo de Melo im Phosphorus, in dem er für drei Monate innerhalb eines Künstlerresidenzprogramm arbeitete, markiert die Wiederaufnahme eines künstlerischen Werdegangs, der sich von New York und Berlin aus angebahnt hat. 


Der Kontakt mit dem Neoexpressionismus in New York in den 80er Jahren, als die großen Ausstellungen von Pollock, de Kooning und anderen stattfanden – eine Revolution der figurativen Repräsentation, die die Grenzen der Bilder durchbrechen – war der Ausgangspunkt für diese Laufbahn. 


Das war der Moment, in dem Arnaldo seine zentralen Konzepte und Arbeitsprinzipien definierte – zwischen unzähligen Jobs, die er annahm, um zu überleben und so viele Ausstellungen wie nur möglich besuchen zu können. Der Ausdruck paradigmatischer Formen, die Intensivierung des Potenzials der Materialien, die Hinterfragung der räumlichen Parameter des Bildes. 
Ein Programm, das Arnaldo während seines Aufenthalts in Berlin von 1987 bis 1990 in die Praxis umsetzen sollte. Von der Universität aufgenommen, ausgestattet mit einem Stipendium des DAAD und mit einem großen Atelier zu seiner Verfügung, konnte er sich in seiner Malerei ausleben, was Bewegungsfreiheit für die Arbeit mit den Farben, für Veränderung der Materialien und den Ausdruck in großer Skala erfordert. Wände, an denen sich das Gemälde ausbreiten kann. Dort konnte er, mit Interventionen in den Ruinen der Stadt, die noch vor der Wiedervereinigung stand, sogar die Grenzen des Ateliers überschreiten.


Danach kamen zehn Jahre der Unterbrechung, in denen er sich dem Architekturstudium und dem intensiven Aktivismus in sozialen Bewegungen für Wohnrecht widmete. Aktivitäten, die sich mit Sicherheit in der Kunst niederschlugen, den Sinn für den Raum sowie das Verständnis der Komplexität urbaner Situationen verstärkten.
Jetzt, in São Paulo, nimmt Arnaldo das künstlerische Experimentieren wieder auf und bietet uns etwas, was auf den ersten Blick Kreise sind. Der Anspruch dieser grundlegenden geometrischen Form kann überraschen, wenn man die Grundlagen der Arbeit des Künstlers im Blick behält. Der Kreis ist der kürzeste Umfang, der eine flache Oberfläche umschließt, so wie die Kugel die kleinste Oberfläche ist, die ein Volumen enthält. Der Kreis, wie die Kugel, taucht in stabilen Situationen auf, dort, wo die Form sich ohne Beschränkungen in alle Richtungen ausbreiten kann. Es sind Formen, die ein Limit festlegen, eine Oberfläche der Grenze, die den Fluss zwischen Innen und Außen kontrolliert. Sie sind die symmetrischsten und stabilsten Formen, die existieren und sie verringern die Unruhen der Umwelt. 


Hier jedoch handelt es sich um Seerosen, die Arnaldo als paradoxe (Vitórias-régias, die für das Amazonasgebiet typische Riesenseerose, wurden in Ehren der englischen Königin benannt) Figuren der Wiederaufnahme der brasilianischen Landschaft wählt. Sie scheinen allerdings abseits jeglicher Referenz zum natürlichen Kontext oder gar zu räumlichen Parametern zu stehen. Es sind lediglich bunte Kreise, ohne Hintergrund, manchmal unvollständig, die das gesamte Bild füllen. Flecken – zumeist in den Farben der Seerosen, gelb und braun, aber manchmal auch blau – nehmen partiell die Oberfläche der Leinwände ein. 


Die ganze Komplexität der Ästhetik offenbart sich, wenn deutlich wird, dass der Künstler die Seerosen nicht von oben betrachtet, sondern aus der Perspektive von einem Außenstehenden. Der Winkel verwandelt die Kreise in längliche Formen. Aus der Sicht des Betrachters ist die Seerose eine Ellipse. Die Farbe verläuft, verzerrt. Alles gewinnt große Elastizität. Das Material bewegt sich, beeinflusst die Form. Der Kreis formt sich und löst sich auf. Wir stehen vor dem wirklichen Anliegen des Künstlers: die Beziehungen zwischen Innen und Außen, die Grenze. 


Die Ausstellung vereint zwei komplementäre Herangehensweisen. Die erste zeigt sechs Leinwände, die den Hauptsaal der Galerie einnehmen. In einem kleineren Raum, nebenan, wird eine Diashow projeziert, die die Arbeit des Künstlers seit der Aufenthalte im Ausland zeigen.  Auf dem Boden der Galerie befinden sich Kreise aus in einer Werkstatt gewälzten Kupferstreifen,  wie die Ränder der Seerosen, aus starrem, industriellem Material, das die kreisförmige Konfiguration wieder aufnimmt. 


Innerhalb des zweiten Ansatzes nimmt Arnaldo eine Reihe von Interventionen in urbanen Situationen und Landschaften in Angriff, die fotografiert wurden und im Korridor der Galerie präsentiert werden. Die Interventionen bestehen darin, Kreise mit den unterschiedlichsten Materialien unter freiem Himmel zu zeichnen. Wo die Landschaft – sei sie eine Naturlandschaft oder eine Stadtlandschaft – komplex, undeutlich und voller unterschiedlicher Elemente und Ereignisse ist, wird eine ordnende Form eingeführt, eine Grenze. Kreise strukturieren den urbanen Raum und das Verhalten der Massen. Der Kreis begrenzt einen Ausschnitt an einem Ort, der sich bedingungslos ausbreitet. Er ermöglicht eine Lektüre der Landschaft.


Das sind die ästhetischen Aspekte der Arbeit. Wie erhalten sich die Formen? Was hält ein Material zusammen, dass dazu neigt, sich permanent auszubreiten, die Grenzen zu übersschreiten, das Gefäß zum Überlaufen zu bringen? Oder, im Gegenteil, wie können die unbegrenzte Geste und das flüssige Material Formen bilden?


Das ist die Frage, die Robert Smithson stellt: Wie kann sich eine Insel im Ozean erhalten, ohne sich im Wasser aufzulösen? Was garantiert die Stabilität ihrer Konturen, wo doch ihre Ränder nicht ummauert sind? Was hält die Materialien zusammen, die die Insel bilden? Und die Frage des Rahmens: Der Raum der Interaktion zwischen den Innen und Außen, wie eine Peano-Kurve.
Aber der Eingriff, die Einführung von kreisförmigen Elementen in der Landschaft, garantiert nicht ihre Dauer. Diese Formen sind keine stabilen Behälter. Es sind in den Sand gezeichnete Kreise am Meeresstrand. Kreise aus Holzspähnen, aus Laub. Es sind extrem zerbrechliche Strukturen, sie vergehen gleich wieder, verwischt vom Wind oder vom Meer. In der Stadt sind sie aus Materialien gemacht, die auf der Straße aufgelesen werden, oder gar aus Personen, die sich auf den Boden setzen. Gleich darauf werden sie von Passanten durchquert, die Masse zerbricht die Grenzen und löst den Kreis auf.


Die Strategie des Künstlers ist, diese Behältnisse zu überspannen. In der Malerei durch das Zerfließen der Form, durch die Farbe, die abläuft, zerfließt. In den Interventionen durch die Wahl von Orten großer Bewegung, bis hin zu politischen Demonstrationen. Indem er solch prekäre Formen installiert, will Arnaldo de Melo genau diese Instabilität erarbeiten, die Widerstandslosigkeit der Form, ihren emergenten Charakter. Der Kreis taucht in der Landschaft auf, enthüllt die Möglichkeiten der Bedeutung und Transformation und löst sich danach wieder auf.

 

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von Teresa de Arruda

West-Berlin 1987-1990: Arbeiten auf papier
 

 

1987 feierte West-Berlin sein 750-jähriges Bestehen. Die Feier dieses historischen Moments wurde begleitet von zahlreichen Überbleibseln seiner recht turbulenten Vergangenheit. Eine der größten sichtbaren Narben war die Berliner Mauer, allgegenwärtiges Erbe des Zweiten Weltkrieges.

Bereits 1990 präsentierte sich Berlin als eine neue Stadt – freier, rätselhafter und vor Herausforderungen stehend, überquellend vor Erwartungen, die sich kurz nach dem Mauerfall und dem vermuteten Ende des Kalten Krieges schürten. Es war der Beginn einer neuen Epoche der Weltgeschichte und vielleicht auch der Beginn der Globalisierung.

Genau in diesem Kontext, in der Zeitspanne dieser drei Jahre großer soziopolitischer und kultureller Aufruhr und Turbulenz, entstanden die Arbeiten auf Papier von Arnaldo de Melo, zentrales Thema dieses Textes, der Publikation und der Ausstellung in der Galerie Sé. Es ist kein bloßer Zufall, dass der Künstler sich in diesem Kontext wiederfand. Die Jahre, die Arnaldo de Melo in Berlin verbrachte, waren nicht nur ausschlaggebend für sein künstlerisches Schaffen, sondern auch für sein Dasein.

Seine Reise nach Berlin im Jahr 1987 wurde durch ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ermöglicht, damit er dort Kurse an der Hochschule der Künste (HdK – heute Universität der Künste) besuchen konnte.

Dieses Stipendium wurde ihm nach Vorlage eines Portfolios erteilt, das dreißig zwischen 1984 und 1985 in New York hergestellte Werke sowie Empfehlungsschreiben von Leon Kossovitch, José Resende und Mira Schendel enthielt. Diese unterstützten den jungen, talentierten Künstler, damit das Potenzial in neuem Umfeld und Kontext gedeihen könnte. Arnaldo de Melo hatte als DAAD-Stipendiat an der Kunsthochschule einen Sonderstatus und lediglich die „Pflicht”, von einem Betreuungsdozenten der HdK in der Abteilung für Malerei begleitet zu werden. So trat der Künstler K.H. Hödicke[1] in sein Leben, der seine Betreuung übernahm und der an der Hochschule eine besondere Position innehatte, fern ab von der akademischen Bürokratie, was ihm erlaubte, mehr Nähe zu seinen Studenten und den von ihm betreuten Künstlern aufzubauen. Seine Bitte um die Betreuung von Hödicke war das Resultat eines Verweises von einem Professor der Hdk, dem Bildhauer Shinkichi Tajiri, der nach der Betrachtung von Bildern von Arnaldo de Melos Arbeiten, die in New York angefertigt wurden, unverzüglich Hödicke als Betreuer vorgeschlagen und diesen angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass er „einen brasilianischen DAAD-Stipendiaten” zu ihm schicken würde.

Am nächsten Tag fand das erste Treffen bei Hödicke zu Hause statt, der sogleich die Bitte um Betreuung annahm, unter der Bedingung, dass er ein externes Atelier finde, da die der
Hochschule bereits alle belegt seien. Viele von Hödickes Studenten hatten ein Atelier außerhalb des Gebäudes der HdK, so wie Arnaldo, der sich mit einigen ehemaligen Studierenden seines Betreuers ein Atelier in einer leerstehenden Etage eines Industriegebäudes im Stadtteil Moabit teilte.

Von Hödicke betreut zu werden bedeutete nicht, in seinem Schatten zu stehen oder seinen Vorschriften zu folgen, sondern das eigene Potenzial zu erkennen und auszuweiten. Während dieser künstlerischen Vertiefung in Berlin produzierte Arnaldo de Melo neben zahlreichen großformatigen Leinwänden circa 200 Werke auf Papier. Für die Ausstellung West-Berlin 1987-1990 wurden 27 Arbeiten auf Papier ausgewählt, die die Vielfalt, Komplexität und Intensität dieser Produktion hervorheben, die simultan zu den großformatigen Malereien entstanden, die der Künstler in seinem Atelier in Berlin-Moabit anfertigte.

Berlin war kein Zufall in der künstlerischen Laufbahn Arnaldo de Melos. Vielmehr war der Aufenthalt eine grundlegende Etappe seiner Entwicklung. Berlin war der Gegenpol zu seiner künstlerischen Erfahrung in New York, wo er 1984 bis 1985 lebte[2]. Dort befand sich eine Kunst im Aufschwung, die geprägt war durch die Anfänge der Straßenkunst und dem Reiz des schnellen Karriereaufstiegs durch oberflächliche und unmittelbare Ausdrucksweisen und Narrativen wie Pop Art. In Berlin hingegen war die Produktion tiefgreifender, denn im Osten der Stadt wurde dem sozialistischen Realismus (eine Tendenz, die von der dortigen Regierung als politisches Propagandainstrument aufgezwungen wurde) der Krieg erklärt, während in West-Berlin eine starke Abneigung gegen die Massentendenzen wie Pop Art, Minimalismus und Konzeptkunst vorherrschte. Auf beiden Seiten der Mauer positionierten ich die Künstler bewusst als ganzheitliche und für ihre Taten verantwortliche Wesen und verstanden sich somit als Hauptfguren ihres künstlerischen Schaffens. Es herrschte der Neoexpressionismus, der durch markante Gesten, Linien und Farben mit Spontanität, Emotion, Humor, Ironie, Aggressivität und Provokation um sich warf. Für die Künstler wurden das Ich und dessen einzigartige Persönlichkeiten zu den Protagonisten ihrer künstlerischen Interessen, die eng mit ihrer Wirklichkeit verknüpft waren. Triviale Szenen, der Alltag in der europäischen Metropole, die mitten im 20. Jahrhundert in zwei Realitäten geteilt war, der Ehrgeiz, die Nische des Überlebens in der Kunstszene, deren intensives Auftreten zwischen zwei von der Nachkriegszeit aufgezwängten Systemen sind die zentralen Themen der Berliner Gegenwartskunst.

Die ersten Werke, die von Arnaldo de Melo in Berlin angefertigt wurden, werden teilweise von Abstraktion dominiert, die sich durch sich überlagernde Materialschichten und verspritzte Farben ausdrückt. Diese ungewöhnlichen Kompositionen strahlen eine einzigartige Dynamik aus, wie in einem Spiel des Verhüllens und Enthüllens einer schichtweise voranschreitenden Metamorphose. Ist das wohl eine Andeutung der Verwandlung des Künstlers?

Wie in einer Symbiose wird Arnaldo de Melo bald Teil des großen Laboratoriums Berlin, was in seinen Werken zum Ausdruck kommt. Ein sichtbares Beispiel dieses Prozesses ist das Werk Figur mit zwei Zungen (Öl auf Papier, 49,5 x 59 cm, Berlin 1989), ein Seitenporträt eines Wesens in Pastelltönen, das seinen Blick nach oben richtet. Sein etwas ungewöhnliches Profil mit zwei geöffneten Mündern, die gleichzeitig zwei Zungen, in ähnlichen Tönen wie die des Blickes, herausstrecken. Ist das ein Selbstporträt? Der Künstler selbst hebt diese Möglichkeit in seiner eigenen Schilderung hervor:

Die zwei Zungen, die aus der Figur heraustreten, stehen für den gespaltenen Berliner, der zwei Identitäten trägt, in ideologischer Hinsicht zwei verschiedene Sprachen spricht, wenn auch beide einen deutschen Ursprung haben. Es ist für mich ein Bild von Berlin während des Kalten Krieges und davon, wie ich mich in dieser Zeit ausprobiert habe. Wir könnten die Figur natürlich (warum auch nicht?) als ein Selbstporträt begreifen, in Bezug auf meine Erfahrungen auf fremdem Boden und in einer anderen kulturellen Dimension.

Dieses gesamte Umfeld wird durch das künstlerische Schaffen von Arnaldo de Melo verkörpert, sei es konzeptuell, ästhetisch oder materiell. Alltagsgegenstände wie Sandpapier, Einladungen, Poster und Zeitungen werden in die gleichzeitig angefertigten Arbeiten auf Papier integriert, um geschlossene Gruppen oder autonome, individuelle Werke zu bilden.

 

Absichtlich wird der benutzte Träger vom Künstler verdeckt oder hervorgehoben – hier offenbart sich seine Entscheidungs- und Schöpfungsfreiheit. Die Nachrichten in der Zeitung werden getarnt durch exakte, geometrische Formen oder durch starre Gesten, die Körperlinien zeichnen, unbeschreibliche Wesen oder undurchdringbare Räume. Einsamkeit erscheint in einer der Arbeiten, wie zufällig dahin gekritzelt und dann erneut mit mehr Eingeständnis geschrieben. Ist das eine absichtliche Inschrift, eine Warnung? Daneben wieder eine männliche Figur im Profil, mit halboffenen Mund, aus dem etwas lautloses gesprochen wird, als wäre die noch stehende Berliner Mauer eine akustische oder visuelle Barriere. Diese Mauer beschränkte jedoch nicht unbedingt den Forschungs- und künstlerischen Erfahrungsraum von Arnaldo de Melo. Diese geographische Grenze wurde oft durchbrochen und öffnete sich für das Eintauchen in andere Städte wie Frankfurt, Köln, Hannover, Hamburg, Düsseldorf, Venedig, Basel und andere kulturelle Zentren der Epoche, die jeweils unabhängig waren und eigene Tendenzen besaßen. Diese Ortswechsel waren Teil des starken Immersionsprozesses des Künstlers während seines Aufenthalts in Deutschland.

Arnaldo de Melo präsentierte einen Teil seiner Berliner Produktion in einer individuellen Ausstellung vom 3. Mai bis
3. Juni 1990 in der Galerie Roepke. Im Kontext des Projekts Art Brasil Berlin des deutsch-brasilianischen Vereins Associação Teuto-Brasileira stellten 16 brasilianische Künstler gleichzeitig in Berliner Galerien aus.[3] Diese Initiative verdeutlicht die Effzienz und das Interesse am Austausch zwischen Brasilien und Deutschland, der vor allem durch die Gründung der Biennale in São Paulo im Jahr 1951 angeregt wurde und sich bis in die Aktualität in einem unermüdlichen interkulturellen Prozess fortsetzt. Bei seiner Rückkehr nach Brasilien im Jahr 1991 brachte Arnaldo de Melo in seinem Gepäck die hier geschaffenen Arbeiten mit sich, aber auch die immateriellen Errungenschaften seiner hier gesammelten Erfahrungen. Sein in Berlin produziertes kulturelles Vermächtnis wurde gleich nach seiner Rückkehr in individuellen und kollektiven Ausstellungen in Brasilien gezeigt: 1992 wurden rund zehn großformatige Leinwände in seiner Einzelausstellung im MAC/USP gezeigt, ein Jahr später war ein Diptychon auf Leinwand mit zwei immensen Kebaps Teil der Ausstellung Selecionados do Centro Cultural São Paulo, durchgeführt im Masp. 2014 waren seine berühmten Werke Berliner Fernsehturm (1989) und Kebap (1988), beide aus der Sammlung Francisco Chagas Freitas[4], Teil der Ausstellung A Arte que Permanece [Die Kunst, die bleibt] im Kulturzentrum Centro Cultural dos Correios in Brasília und Rio de Janeiro, bei der ich Kuratorin war und mich tiefer mit seinem künstlerischen Schaffen auseinandersetzte.

Dass die Ausstellung West-Berlin 1987-1990 mit unveröffentlichten Arbeiten fast drei Jahrzehnte nach ihrer Produktion realisiert wird, bedeutet keineswegs, dass sie verspätet ist, sondern steht mit ihrer historischen Anerkennung im Einklang. Gleichzeitig wurde im November 2016 eine individuelle Ausstellung von K.H. Hödicke in der Galerie Gerrit Friese in Berlin eröffnet, die Werke zeigt, die zwischen 1974 und 1999 produziert wurden. Parallel findet im Potsdam Museum die Ausstellung Die Wilden 80er Jahre in der deutsch-deutschen Malerei statt, die die Malerei aus West- und Ost-Berlin in den 80er Jahren miteinander in einen Dialog bringt bzw. sie einander gegenüberstellt. Ein Szenario, das für das Schaffen Arnaldo de Melos essentiell war und bis heute im künstlerischen Diskurs präsent ist.


Berlin, November 2016

 

[1] Karl-Horst Hödicke ist ein deutscher Maler, der 1938 in Nürnberg geboren wurde. Er lebt in Berlin. Er gilt als einer der Wegbereiter des Neoexpressionismus oder der Neuen Figuration, gemeinsam mit den Malern Baselitz, Immendorf, Lüpertz und Penck. Ebenso gilt K.H. Hödicke auch einer der Anreger der Neuen Wilden, einer Bewegung von Künstlern zu Beginn der 80er Jahre, deren Werke, Resultate von Performances oder action painting, vor Informalität und Subjektivität strotzten. Die wichtigsten Repräsentanten dieser Bewegung waren Luciano Castelli, Salome und Rainer Fetting.

 

[2] Dort war die europäische Malerei bereits stark eingegliedert. Es gab unzählige Ausstellungen mit den deutschen Künstlern Hödicke, Baselitz, Lupertz, Salomé, Immendorf, Fetting und weiteren, sowie den Italienern Chia, Clemente, Paladino, Cucci und den Amerikanern Schnabel, Fischl, Salle und Basquiat. Insbesondere die Ausstellung An International Survey of Recent Painting and Sculpture, organisiert vom MoMA im Jahr 1984 zum Anlass der Wiedereröffnung des Museums nach Umbau, zog Arnaldo de Melos Interesse auf sich.

 

[3] Die teilnehmenden Künstler waren José Roberto Aguilar (Galerie Rudolf Schoen), Cristina Barroso (Edition Schoen), Hilton Berredo ( Galerie Horst Dietrich), João Câmara Filho (Galerie Eva Poll), Mário Cravo Neto (Galerie Springer), Anísio Dantas (Goethe-Institut Berlin), Antonio Dias (Galerie Nothelfer), Adriane Guimarães (Galerie Messer-Ladwig), Sérgio Lucena (Ladengalerie), Roberto Lúcio de Oliveira (Galerie Noé), Emmanuel Nassar (Galerie Nalepa), Rubens Oestroem  (Edition Schoen), Cristina Pape (Galerie Messer-Ladwig), Osmar Pinheiro (Galerie Michael Schultz), Flávio Tavares (Ladengalerie) und Arnaldo de Melo (Galerie Roepke).

 

[4] Die Sammlung von Francisco Chagas Freitas ist ein Resultat dessen starken persönlichen Interesses für die Kunstgeschichte der DDR und Umgebung, wo er selbst von 1985 bis 1991 lebte, als er im Kulturbereich der Brasilianischen Botschaft in Ost-Berlin arbeitete.

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